Vierter Monat: Kein Roman ohne Konflikt
- Steph
- 18. März
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
"Konflikte sind der Herzschlag jedes geschriebenen Werkes." (Lajos Egri)
Auf das Heft freute ich mich regelrecht, weil es mir versprach endlich mehr in die Tiefe zu gehen.
Konflikte, wer kennt sie nicht. Sie entstehen fast täglich, im Kleinen, kaum wahrgenommen und können so sehr eskalieren, dass sie zerstörerisch werden können.
Doch wie stellen sich Konflikte in einem Buch dar? Welche Unterschiede gibt es? Welche Konflikte kehren immer wider?
Dieser Beitrag fasst mögliche Antworten zusammen.
Inhaltsverzeichnis:
#1: Gespür für Konflikte entwickeln
Basis: Urkonflikte, auf den alle anderen Konflikte basieren.
Denn genau durch diesen Konflikt bzw. den Konflikten werden Bewegung, Spannung und Bedeutung in die Geschichte gebracht und erst dann interessiert sich die Leserschaft dafür.
Es ist jede Art von Konflikt möglich. Quasi, das was einem selber aus dem Alltag bekannt ist. Es muss nichts offenkundiges sein, sondern kann auch subtil daherkommen. Das macht es zudem spannender.
I. Das Leben besteht aus Konflikten
Denn genau durch diesen Konflikt bzw. den Konflikten werden Bewegung, Spannung und Bedeutung in die Geschichte gebracht und erst dann interessieren sich die Lesenden dafür.
Es ist jede Art von Konflikt möglich. Quasi, das was einem selber aus dem Alltag bekannt ist. Es muss nichts offenkundiges sein, sondern kann auch subtil daherkommen. Das macht es zudem spannender.
Konflikte:
die Figuren zwingen zu lernen und innerlich zu wachsen, wenn sie ihre Ziele erreichen wollen
in Romanen wird aufgezeigt wie Menschen mit Konflikten und Krisen umgehen
--> Das ist wichtig, denn: Da davon ausgegangen wird, dass das Leben am Ende einen Sinn ergibt und jeder ein individuelles Ziel anstrebt. Auf diesem Weg gilt es Aufgaben zu lösen.
"Spannung entsteht immer zwischen zwei Polen - plus und minus, heiß und kalt, arm und reich, ..."
"Confligere (lat.): zusammentreffen oder auch kämpfen" --> eine bestimmte Art von Bewegung, die es für Entwicklung braucht.
Nachstehend teile ich eine Übungsaufgabe mit euch.
Schreibübung:
Ein Gegensatzpaar aussuchen und dazu ein paar Notizen machen. Wie kann ein Kampf oder eine Begegnung stattfinden. Wer ist daran beteiligt, was passiert - und wie geht die Sache am Ende aus?
Zum Beispiel:
fettleibig - magersüchtig
gebildet - eingebildet
innerlich erfüllt - innerlich leer
Hundemensch - Katzenmensch
Liebe - Angst
...
Folgende Notizen habe ich mir gemacht:
Ein konfessionsloser Mittdreißiger Mann, der in den Tag hineinlebt und nichts von der großen Liebe hält. Er begegnet einer Frau, die ihn jedoch so sehr fasziniert, dass er sein Gredo plötzlich in Frage stellt.
Allerdings kommt auf, dass sie in einer Sekte lebt. Sie war auf der Straße unterwegs, um die Leute zu bekehren. Zu dem Zeitpunkt der Begegnung machte sie gerade eine kurze Pause, weil sie auf Toilette musste. Sie rammten sich, als er eilig aus der Toilette hastete.
Sie durchlaufen viele Tiefs und es scheint so, als ob sie nicht zueinanderfinden können. Doch er schaffe es mit viel Verständnis und Einfühlungsvermögen sie von der Sekte abzubringen und sich für ein Leben mit ihm zu entscheiden.
II. Urkonflikte
Geburt und Tod = größte Schwellen --> bilden die Basis von Konflikten für jede Geschichte
Urkonflikt = Tod
Jagd und Tod
Heldengeschichte oder Geburt der Tragödie.
Die Jagd nach etwas Existenziellen verkörpert den reinen Konflikt – ein Kampf ums Überleben. Ihr Ziel ist es, den Hunger zu besiegen. Auch die Figuren im Roman werden von diesem 'Hunger' angetrieben.
Geburt und Initiation
Urkonflikt = Gebären
Initiation = durch bestimmte Bräuche geregelt; Aufnahme eines Neulings in eine Gemeinschaft; besonders die Einführung der Jugendlichen in den Kreis der Erwachsenen bei den Naturvölkern
Geburt und Initiation bringen die Heldin oder den Helden an die Schwelle des Todes. Die alte Person stirbt und wird als eine andere Person wiedergeboren.
Richtig und falsch
Urkonflikt = wie man richtig zusammenlebt (ein allgegenwertiges Thema)
Jede Gruppe von Menschen hat ihre eigenen Regeln und Tabus, die das Zusammenleben ermöglichen und den Einzelnen einschränken. Sowohl in seinen Ausdrucksmöglichkeiten als auch in seinen Entscheidungsmöglichkeiten.
III. Konflikttiefe
Für einen guten Konflikt bedarf es lediglich eine Person, die mit ihrem Leben unzufrieden ist.
Es folgt ein Impuls, etwas an dieser eigenen Situation zu ändern.
Diese lassen sich in drei unterschiedliche Konfliktfelder differenzieren:
a) Höhere Gewalt
Sie ist so stark, dass ein Einzelner zunächst nicht dagegen angehen kann. Die Situation scheint auswegslos, doch die Figur gelangt zu einer ungeahnten Stärke. Sie schafft die Möglichkeit zu siegen.
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Eine weitere Übungsaufgabe, die ich ganz interessant fand.
Schreibübung:
Innerhalb zehn Minuten: Über "höhere Mächte" schreiben bzw. Möglichkeiten sammeln und über ein explizite Macht, eine kleine Szene schreiben, wie diese über einen Menschen hereinbricht.
Ich teile an dieser Stelle die möglichen "höhere Mächte", die ich mir notiert habe:
extremes Unwetter
Flugzeugabsturz
Auto rutscht bei Glatteis
eigenes Kind bekommt unheilsame Krankheit diagnostiziert
Kündigung im Job
Eltern sterben
ein Löwe bricht aus einem Zoo aus und läuft frei in der Stadt rum
ein Meteorit rast auf den Planeten zu
jemand stürzt nebenan an der Kletterwand ab
...
Und ebenfalls eine kurze Szene (Übungen sind immer Rohfassungen und nie überarbeitet):
Okay, jetzt verstehe ich, warum ich hätte besser lieber morgen früh fahren sollen. Ich seufzte. Warum muss ich auch immer meinen Dickschädel durchsetzen? Aber gut, jetzt hatte ich die Hälfte der Strecke schon hinter mich gelegt. Da würde umdrehen auch nichts bringen. Dann also Augen zu und durch.
Es wird schon nicht schlimmer, denke ich mir, während die Schreibenwischer die Schneeflocken von der Scheibe wischen. Sie hatte es nicht glauben wollen, dass nachts noch Schneetreiben aufkommen sollte. Sie wollte einfach nur zu ihrem Freund, schließlich hatten sie sich zwei Wochen nicht mehr gesehen. Sie vermisste ihn so sehr. Sie waren erst vor zwei Monaten zusammen gekommen und sie war schwerverliebt. Sie drehte die Musik lauter. Ansich war sie es gewohnt nachts Auto zu fahren, doch mit diesem Schneetreiben, kaum Mondlicht und auf irgendeiner Landstraße im nirgendwo fühlte sie langsam die Müdigkeit aufkommen. Oder ich stelle mich auf einen Parkplatz, warte das Schneetreiben ab und schließe etwas die Augen, fragte sie sich. Doch in diesem Augenblick spürte sie, wie ihr Auto ins Rutschen kam, sie das Lenkrad viel zu stark umriss und sie ein Böschung runter Richtung Wald schoss...
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b) "Ich" und "Wir"
Ich: Erfolgreiche Geschichten haben folgendes gemeinsam:
"Es geht immer zu einem guten Teil um menschliche Nähe" (Archer, Jockers: The Bestseller Code)
--> Im Sinne von: Wie nah ist der Mensch anderen, wie mutterseelenallein ist er, ... wie überwindet er Hindernisse?
Wir: Innerfamiliäre Konflikte
--> explosiv und spannend
--> stark und schmerzhaft
... und daher für viele Lesende besonders interessant.
Konflikttiefe:
Verteilungskonflikt
Zielfkonflikt
Beziehungskonflikt
--> egal auf welcher Tiefenebene, der Konflikt findet immer zwischen Menschen statt
Entspricht dem 2. Schlachtfeld: "Der Mensch im Kampf mit seinen Mitmenschen."
--> je tiefer der Konflikt dabei geht, desto mehr spielt er auf dem 3. Schlachtfeld ab: "Der Mensch im Kampf mit sich selbst."
c) Innere Konflikte
bedrohen das Selbstbild einer Person
bedrohen das Wesen, was diese Person ausmacht
--> dadurch wird ein innerer Konflikt ausgelöst (entspricht der "Tyrannerei des Solls") --> an sich selbst Ansprüche stellen, die man langfristig nicht zu erfüllen vermag
Frage, die sich eine Figur in solch einer Situation stellt: Ist das, was ich tue, richtig oder falsch?
WICHTIG: Figurenpsychologie! (es muss für die Leser nachvollziehbar sein)
IV. Zusammenhänge

An dieser Stelle folgt noch eine Grafik. Ich bitte um etwas Geduld. (-: (ich möchte nicht einfach die Grafik aus dem Heft kopieren, sondern diese in meinem eigenen Stil und Verständnis erstellen).
#2: Drei verschiedene Arten von Konflikten
Ohne zu verstehen, wie Konflikte funktionieren, wird es schwierig, diese so einzusetzen, dass die Geschichte passt.
Denn bleiben die Figuren in einer Konfliktsituation hängen ohne voranzukommen, bewegt sich auch die Story nicht und es wird von einem statischen Konflikt gesprochen.
Kommen in einer Handlung hingegen, Sprünge vor, die nicht glaubwürdig sind, dann handelt es sich um einen sprunghaften Konflikt.
Es gilt jedoch einen dynamischen Konflikt zu kreieren, der sich kontinuierlich steigert, damit sich die Leser nicht langweilen und das Interesse verlieren.
I. Statisch
Wie entstehen statische Konflikte? 3 Gründe:
Fehlende Bereitschaft der Figuren und / oder die Figuren sind adynamisch durch ihre Schwäche.
Die Figur schafft es nicht einen Ansatz zu finden, zu agieren, da sie mit der Situation überfordert und ihr zu schwer ist.
Die Einfachheit der Aufgabe. Dadurch entsteht kein Druck und die Figur wird nicht aktiv.
II. Sprunghaft
3 Gründe für sprunghafte Konflikte:
Keine Vorbereitung der Handlungen einer Figur.
Passt nicht zu der Charaktertiefe der Figur.
Die Figur agiert nicht aus einer Notwendigkeit heraus, die unumgänglich war, sondern lediglich um die Handlung voranzutreiben.
III. Dynamisch
Wie dynamisch ansteigende Konflikte entstehen. 2 Gründe:
Die Figur handelt, weil genug innerer oder äußerer Druck auf sie ausgeübt wird.
Dabei muss die Hauptfigur etwas tun, was sie zuvor noch nie tun musste und durch sie sich sukzessive verändert.
"Zwei entschlossene, kompromisslose Kräfte im Zweikampf erzeugen einen kraftvollen, ansteigenden Konflikt." Lajos Egri
#3: Konflikte, die immer wieder auftreten - ein Auszug
Sowohl für Krimis, als auch Thriller gibt es immer wiederkehrende Konflikte. Sogenannte Grundmuster, auf die sich jederzeit bezogen werden kann, jedoch unterschiedlich genutzt werden.
Nachstehend erfolgt lediglich ein Auszug.
Weitere Beispiele für wiederkehrende Konflikte:
Katastrophe, Unglück und Grausamkeiten, Verfolgung/Jagd, Hass unter Verwandten, Reue, Ehrgeiz, Wahnsinn, Verwechslung, Rätsel, Entführung, Rebellion, Falscher Verdacht, Ehebruch/Betrug, ...
I. Eifersucht
Hierbei handelt es sich nicht nur um Eifersucht, sondern insbesondere um grundlose Eifersucht, die viel mehr Konfliktpotenzial bietet.
Sie ist meistens im Charakter der Figur begründet.
Es bedarf für diese Art von Konflikt:
eine Person, die eifersüchtig ist,
etwas, dass diese Eifersucht schürrt,
einen mutmaßlichen Mittäter,
eine Begründung für die Annahme oder jemand, der Grund zum Anlass gibt.
II. Rache
Die Figur strebt es bei einem Racheakt nicht an, wieder glücklich zu werden. Sie möchte vor allem eine Art von Gerechtigkeit erfahren.
Unterarten:
Für ein Verbrechen
In einem Krimi erfolgt die "Rache" durch die staatliche Instanz in Form eines Kommissars oder einer Kommissarin.
Weitere Motive für Rache:
Ermordung eins geliebten Menschen
für Entführung
für gesellschaftliche Verbrechen
...
III. Betrug (Ehebruch)
Bei Ehebruch, der noch in den 70er Jahren eine Scheidung zur Folge hatte, drohten bis zu sechs Monate Gefängnis. Er galt allgemein als Bedrohung für die Gesellschaft. Heutzutage ist das Thema emotional schwer gelagert. Insbesondere, wenn der / die Gegenüber direkt "das Lager" wechselt. Nichtsdestotrotz geht es darum, dass jemand betrogen wird.
Varianten:
Partner oder Partnernin wird durch jemanden jüngeren ersetzt
Betrug mit einer Sklavin
Neid der Affäre des Ehemanns auf die Ehefrau
Bigamie
Partner oder Partnerin wird durch ein Gegenstück ersetzt
Polygamie
...
Varianten, die sich um Mord und Totschlag erweitern:
der Geliebte oder die Geliebte ermordet die Betrogene oder den Betrogenen
oder genau andersrum
die Person, die betrügt, wird wegen der Affäre ermordet
Letztendlich gibt es einen Verräter / eine Verräterin, die Person, die veraten wird und ein hohen idealistischen Wert, insbesondere Treue / Vertrauen spielen dabei einen hohen Stellenwert.
IV. Liebesverbrechen
Je nachdem in welcher Kultur wir leben, werden Verbrechen in der Liebe unterschiedlich bewertet.
Zu den Liebesverbrechen gehören Tabuthemen wie Inzest, sexueller Missbrauch, Nekrophilie, Zoopholie und je nach Gesellschaft auch Transsexualität und Homosexualität.
Eine Geschichte greift ein Tabu auf und geht ihm nach, sei es unwissentlich (wie König Ödipus, der seine Mutter heiratet) oder mit dem Wissen aller Betroffenen.
V. Entführung
Wie schmerzvoll muss sie für alle Beteiligte sein?! Wer wird entführt - das Kind, die Frau, ein geliebter Mensch. Wird sie wieder gefunden oder nicht? Wo wird die Person festgehalten? Was durchlebt sie?
Thema: Eine Szene mit einem starken Konflikt schreiben
Eine Szene schreiben, die wenigstens eine handelnde Figur und einen starken Konflikt enthält. Eine Szene ist durch die drei Einheiten von Zeit, Ort und Handlung definiert. Das bedeutet, es gibt keine Zeitsprünge, keine Ortswechsel, und es wird nur ein Vorgang gezeigt. Vorgang bedeutet, dass etwas vorangeht. Also nur einen Ausschnitt schreiben, keine Kurzgeschichte.
Sich bei Unsicherheit folgendes fragen: hat die Situation der Figuren sich zwischen Anfang und Ende der Szene verändert? Gut – so soll es sein.
Bei der Planung und Ausarbeitung der Szene besonders auf Folgendes achten:
• Konflikt entsteht nur dann, wenn das Ziel der Figur und die Situation, in der sie sich befindet, einander widersprechen. Sich fragen: Wie unangenehm ist meiner Figur die Situation, in die ich sie stelle?
Außerdem den Urkonflikt, das Schlachtfeld, die Konflikttiefe und den konkreten Konflikt benennen.
Nachstehend das Ergebnis:
An dieser Stelle kannst du bald weiterlesen. Ich bin regelmäßig dabei, an diesem Blogbeitrag zu arbeiten. Ich wollte ihn jedoch trotzdem schon online stellen (11.04.2025).
Archer,Jodie & Jockers, J. Matthew (2017). Der Bestseller-Code: Was uns ein bahnbrechender Algorithmus über Bücher, Storys und das Lesen verrät. Börsenmedien AG.
Egri, Lajos (2018). Dramatisches Schreiben. Autorenhausverlag.
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